DE Totalitäre Systeme versuchen, in das Leben ihrer Bürger ideologisch hinein zu wirken. Das Sammeln von privaten Informationen wird dabei zum wichtigsten Instrument. Völlige Transparenz, die Abschaffung des Privaten, ist das Ziel. Heute geschieht das Preisgeben von Informationen in einem Akt völliger Freiwilligkeit. Das Private ist durch die Veröffentlichungsangebote der Informationsindustrie radikal transparent geworden. In dieser 'Abschaffung des Privaten' ähneln sich der Totalitarismus vergangener ideologischer Herrschaftssysteme und die totale Öffentlichkeit unserer Zeit.
Die durational performance TRUTH AND DARE ist ein performatives Spiel mit totalitären und ideologischen Mechanismen unserer Gegenwart: Die Performerin Linda Löbel - geboren und aufgewachsen in Dresden, dem Ort mit der höchsten Überwachungsdichte der DDR - wird sich mehrere Tage in einem abgegrenzten Raum aufhalten. Ständig wiederholt sich dieselbe Situation: eine Vernehmung, zwei Personen in einem Raum, die Performerin und ihr Vernehmer / ihre Vernehmerin: Sie.
Was denkst du? Was willst du? Was glaubst du?
TRUTH AND DARE lädt Sie ein, aus der Rolle als Zuschauer herauszutreten und zum handelnden Akteur zu werden. Sie bestimmen das Thema der Vernehmung: Was sind die Fragen, die Sie in Anbetracht aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen tatsächlich beschäftigen? Ausgehend von dieser Perspektive haben Sie dreißig Minuten Zeit, die Performerin zu deren privater Lebensrealität zu befragen, zu beobachten und zu untersuchen. Ihre Notizen zu den Antworten, Ihre Beobachtungen, Ihre Einschätzung werden gesammelt - so wird Ihr persönlicher Blick auf die Performerin zum Teil einer totalen Beobachterperspektive.
Den Abschluss der Performance bildet eine Lesung am letzten Tag: Linda Löbel wird nach dem mehrtägigen Vernehmungsprozess die gesammelten Notizen verlesen. Performerin und Publikum werden gleichzeitig Zeugen einer kollektiven Wahrheit.
Pressestimmen:
"Wie viel Exotik [...] gerade in der Nähe liegen kann, zeigt "Truth and Dare", entworfen von Barbara Balsei, Anna van Leen, Sebastian Linz und Linda Löbel. Fünf Tage lang bewohnte Löbel das Pathos-Atelier, bezog ein selbst gewähltes Gefängnis, in dem sie verhšrt wurde. Von Theaterbesuchern, die sie alles fragen konnten, was sie wollten. Löbel musste stets die Wahrheit sagen, und das Ergebnis, 20 Stunden Verhörprotokoll, von Balsei kondensiert zu einer Stunde Vortrag, ist einerseits bedrückend in seiner Intimität, andererseits aber auch erschütternd darin, wie gefährlich, anstrengend und herausfordernd es für viele Menschen offenbar ist, sich eine Stunde lang mit einem fremden Gegenüber beschaftigen zu müssen." (Egbert Tholl, SZ vom 15.07.2013)
Performance Linda Löbel Konzeption Barbara Balsei, Anna van Leen, Linda Löbel, Sebastian Linz Sound Ben Knabe Licht Tom Friedl Video Alexander Litschka
Premiere am PATHOS München vom 08. bis 12. Juli 2013, im Rahmen von TU JEST POLSKA-TRANSPORT>festival 2013
Gastspiel am MAD HOUSE, Helsinki vom 27. bis 29. Oktober 2014. Mehr Infos dazu auf der Homepage des MAD HOUSE.
Eine Koproduktion von PATHOS München und ausbau.sechs, gefördert vom Kulturreferat der LH München.